Der Regenwurm

Es gibt viele verschiedene Arten von Würmern. Die wichtigsten für uns sind aber der „Regenwurm“ (Lumbricus terrestris) und der „Kompostwurm“ (Eisenia foetida). Ihre Ansprüche an den Lebensraum sind sehr verschieden, so braucht der Kompostwurm eine höhere Temperatur (ca.25 Grad) und er vermehrt sich wesentlich schneller als der Regenwurm. Der Regenwurm hat nur maximal 8 Nachkommen (8×1 Stück) pro Jahr, wenn die Lebensbedinungen für ihn gut sind. Er kann 6-10 Jahre alt werden und ist in der Regel nach 11/2 bis 2 Jahren Geschlechtsreif. Der Regenwurm ist in der Regel grösser als der Kompostwurm, hat seinen Lebensraum im Boden und hält Ruhephasen. Den Umstand, dass der Regenwurm Ruhezeiten hat, sollte man sich auf alle Fälle zum Nutzen machen. In den Sommermonaten wenn es ihm zu heiss wird und wenn der Boden zu trocken ist, nämlich im Juli/August, hält der Regenwurm seine Sommerruhe. Dazu verkriecht er sich in tiefere Bodenschichten, ringelt sich ein und wartet ab, bis der Boden wieder genügend Feuchtigkeit hat und die Temperaturen etwas nieriger sind. Sein zweite Ruhephase hält er im Winter ab, wenn der Boden tiefgefroren ist, er kann aber im Winter durchaus aktiv sein, wenn eine geschlossene Schneedecke liegt und der Boden darunter nicht gefroren ist.

Wann er sich und vor allem wie tief er sich verkriecht, hängt zum einem vom Bodenzustand und aber auch von der Witterung ab. Der Regenwurm ist sehr empfindlich gegen Sonnenlicht und Trockenheit. Hat man nun einen Acker, der im Juli abgeerntet und bearbeitet wurde, ist die oberste Bodenschicht meistens gänzlich ausgetrocknet (je nach Witterung), hat man dann auch keinen Bewuchs (in Form einer Zwischenfrucht), hat der Regenwurm äusserst schlechte Lebensbedingungen.

Der Regenwurm verwertet die organische Substanz äusserst effektiv, fast ohne Energieverlust. Wenn, zum Beispiel Mist gelagert wird, stirbt bereits während der Lagerung ein grosser Teil der lebenden Zellen ab, und ein Teil der Energie (Kohlenstoff) wird im Haufen zu Wärme (Heissgärung) umgewandelt. Durch die Lagerung geht somit wertvolle Energie verloren, die dann den Pflanzen auf dem Acker nicht mehr zur Verfügung steht. Belässt man das Stroh auf dem Acker oder bringt den Mist frisch auf das Feld, als dünne Mulchschicht, kann der Regenwurm die organische Substanz sehr effektiv zu Regenwurmhumus umwandeln. Dieser ist sehr reich an pflanzenverfügbaren Nährstoffen, denn der Wurm braucht für sich selbst zum leben nur sehr wenig Energie.
Kompost oder Biogasgülle ist kein Regenwurmfutter mehr, denn darin ist keine organische Substanz mehr enthalten, die er als Futter benötig.

Der Regenwurm liebt es wenn der Boden gut durchwurzelt ist, ein Pflanzenbewuchs steht und er genügend organische Substanz als Futter hat. Wichtig ist, dass die organische Substanz an der Oberfläche, am besten als Mulchschicht liegen bleibt und nicht wie beim Pflügen, tief vergraben wird und dann unter Luftabschluss nicht verrotten kann, sondern vermodert und somit wurzelschädigende Stoffe ausscheidet. Hat der Regenwurm kein Futter an der Oberfläche, muss er verhungern, denn er kann von der vergraben organischen Substanz nicht zehren. Wenn man ein konventionell bewirtschaftetes Silomaisfeld anschaut, dann ist es vom Pflügen im Herbst, den ganzen Winter, über das Frühjahr,den ganzen Sommer wenn der Maisbestand unkrautfrei gehalten wird, im Herbst wieder gepflügt wird, bis hinein ins nächste Jahr, bis das Getreide dann geerntet wird und das Stroh auf dem Feld verbleibt ohne eine Mulchschicht die dem Regenwurm als Futter dient. Das sind dann fast zwei Jahre, in denen der Regenwurm so gut wie nichts zu fressen hat. Bei Körnermais ist es allerdings auch nicht anders, da fallen zwar grosse Mengen Pflanzenreste an, aber die werden sauber untergepflügt, damit man Winterweizen aussäen kann und es keine Probleme mit Fusarien gibt. Hat man einen hohen Regenwurmbesatz, hat man auch keine so grossen Probleme mit Fusarien, denn der Regenwurm ernährt sich nicht von der organischen Substatz selbst, sondern vorwiegend von den Pilzen die sich darauf ansiedeln.
Ich hab bei meinen Gemüsebeeten festgestellt, dass sich der Regenwurm lieber in den Fahrspuren aufhält, als in den Beeten selbst. Die Fahrspuren sind zwar verdichtet, haben aber eine Begrünung aus Gräsern und verschiedenen Kleearten. Die Beete haben durch den Gemüseanbau nicht immer eine geschlossene Pflanzendecke, eine leichte Mulchschicht aus Rasenschnitt konnten anscheinend den Regenwurm keine so günstigen Lebensbedingungen bieten wie ein Pflanzenbestand. Die Bodenbearbeitung in den Beeten dürft sicher auch noch eine Rolle gespielt haben, denn bei Gemüse wie z.B. Salat, kann man keine Rücksicht auf die Aktiv- und Ruhezeiten der Regenwürmer nehmen, weil die Wachstumszeit des Salates recht kurz ist. Der Regenwurm benötigt aber auch grosse Mengen an organischer Substanz, so kann auf einem Feld mit einem guten Regenwurmbesatz über Winter (vom Dreschen bis zum Maisanbau) 60 dt Stroh pro Hektar umgesetzt werden. Ich persönliche strebe einen Regenwurmbestatz von mindesten 300 Stück/m2 an, wobei ich glaube, dass auch 400 möglich sein müssten. Das aber nur, wenn man auf seine Lebensgewohnheiten Rücksicht nimmt, und ihn ausreichend „füttert“.

Was der Regenwurm überhaupt nicht verträgt ist Säure, die greift nämlich seine empfindliche Schleimschicht an, die seine Haut vor Austrocknung und Verletzungen schützt. Dazu zählt in erster Linie „Kunstdünger“ und Pflanzenschutzmittel, aber auch Gülle, wenn sie unverdünnt und in grösserer Menge ausgebracht wird. (Bemerkung am Rande – wenn man Gülle 1:1 mit Wasser verdünnt, wird Ammoniak (NH3) zu Ammonium (NH4) und ist somit nicht mehr flüchtig) Der Regenwurm kann während der Verdauung geringe Mengen von Säure (Kunstdünger/ Gülle) neutralisieren, dies geschieht mit Hilfe von Kalk, den er aus dem Unterboden holt und in seinem Körper auch speichern kann, somit trägt der Regenwurm auch zur Regeneration des Bodens bei.

Bei einem hohen Regenwurmbesatz und genügend Futter, können die Würmer immerhalb von 3 Jahren eine 5 cm Schicht fruchtbaren Boden erzeugen. Das heisst, er vermischt die Pflanzenteile, die er gefressen hat mit „toter“ Erde aus tieferen Bodenschichten, vermischt es in seinem „Magen“, und legt es als fruchtbaren Humus auf der Oberfläche ab. Diese kann man dann als Regenwurmkot besonders in den Morgenstunden liegen sehen. Auf diese Weise und durch verzicht auf eine tiefe Bodenbearbeitung (nur 3-4 cm), hat es Manfred Wenz geschafft, in 22 Jahren 27 cm steinfreien und fruchtbaren Boden zu schaffen.
Es wird angenommen, dass sich der Regenwurm nicht von den Pflanzenresten ernährt, sondern nur von den Pilzen, die sich während der Rottephase an der Pflanzenteilen bilden. Wenn er sich von Pilzen (auch Fusarien genannt!) ernährt, ist es nicht verwunderlich, dass ein fruchtbarer und aktiver Boden Pflanzen hervorbringt, die frei von Fusarien sind. Es ist auch sehr leicht zu beobachten, dass sich der Regenwurm sein Futter als erstes in sein Loch zieht, es dort einige Tag als Büschel stecken lässt und es erst dann frisst. Das macht er wahrscheinlich, damit die zum Teil oft sperrigen Pflanzenreste weicher werden und es sich bereits Pilze und Mikroorganismen ansiedeln können. Nach dem er es gefressen hat, geht er in tiefere Bodenschichten (bis zu einem Meter und mehr sind normal) und holt sich dort mineralische Substanz, die er zum verdauen der organischen Substanz braucht und vermischt dies im seinem Verdauungstrackt. Aus dieser Mischung wird ein äusserst fruchtbarer Humus den er an der Oberfläche ablegt. Dadurch, dass er sich mineralische Substanz aus den Unterboden nach oben holt, werden neben Kalk auch zahlreiche andere Nährstoffe (Phosphat, Kali, Magnesium und viele weitere Spurennährstoffe) nach oben gefördert, die die Pflanzen für ein gesundes Gedeihen brauchen.
Die Arbeit des Regenwurms hat auch noch einen anderen grossen Nutzen, so kann zum Beispiel ein Acker der einen hohen Regenwurmbesatz und eben so vielen Röhren, einen Regenschauer von 150 mm in kürzester Zeit aufnehmen, speichern und überschüssiges Wasser in den Untergrund leiten, ohne dass es zu einer Überschwemmung kommt.
Der Boden, auf dem unsere Hofstelle steht, hat in einer Tiefe von ca. 50 cm eine wasserundurchlässige Schicht, diese besteht aus sehr feinem Ton, bei uns „Degel“ genannt. Pflanzenwurzeln können sie nicht durchdringen, aber meiner Meinung hat dieser Degel äusserst viele Spurenährstoffe, die eine Pflanze für ihr gedeien braucht. Ich sage immer, das ist unsere Version des fruchtbaren Nilschlamms, nur dass er für die Pflanzen in dieser Form nicht zugänglich ist. Bei mehreren Grabungen hab ich schon gesehen, dass nur der Regenwurm diese Schicht durchdringen kann und durch die Wurmröhren dann auch die Pflanzen Zugang zu tieferen Bodenschichten haben. Dadurch dass der Regenwurm den Degel mit organischer Substanz vermischt, die Spurennährstoffe durch seine Verdauung aufschliesst und an der Oberfläche ablagert, haben die Pflanzen nun Zugang zu den bisher unerreichbaren Nährstoffen.
Leider haben wir keinen Lehmboden, denn mich würde interessieren, wie auf einer langjährigen Brachfläche die Durchwurzelung und die Regenwurmröhren ausgebildet sind, ob es sich da genauso verhält, wie bei der Degelschicht.

Regenwurm
Auf diesem Bild kann man sehen, wieviele Regenwurmröhren ein gesunder Boden enthalten kann.

 

 

Regenwurmarbeit
Hier sieht man deutlich wie der Regenwurm gearbeitet hat. Er legt den Regenwurmkot auf der Oberfläche ab und es entsteht eine lockere Humusschicht mit einem grossem Porenvolumen die Luftdurchlässig ist und viel Feuchtigkeit aufnehmen und speichern kann.

Schlussbemerkung

Der Regenwurmkot ist Dauerhumus, dass heisst aus mineralischen und organischen Bestandteilen wird Humus produziert. Er ist reich an Nährstoffen, in leicht verfügbarer Form für die Pflanzen und weisst eine Lebendverbauung auf, dadurch hat der Humus ein grosses Porenvolumen, er kann viel Wasser speichern und ist Luftdurchlässiger. Der Sauerstoff kann somit tiefer in den Boden eindringen und die Kohlensäure (CO2) kann entweichen, der Boden wird dadurch nicht übersäuert und die Pflanzenwurzel haben Sauerstoff zum „atmen“. Der Regenwurm kann auch grosse Mengen Dauerhumus in relativ kurzer Zeit produzieren und somit erheblich zum Bodenaufbau beitragen, wenn man ihm, wie bereits gesagt, dafür günstige Vorraussetzungen gibt. Durch die momentane Form der Landwirtschaft wird Humus abgebaut, weil Felder über Winter blank daliegen, es zu wenig Zwischfruchtanbau gibt und bei Hanglagen zu wenig gegen die Errosion gemacht wird. Gerade in Hinsicht auf den Klimawandel wäre es wichtig Humusaufbau zu betreiben. Humus entsteht aus organischer Substanz, diese wird aus Wasser, Nährstoffen, Sonnenlicht und aus CO2 gebildet. CO2 wird mit Hilfe der Sonnenenergie durch die Fotosynthese aufgespalten, der Kohlenstoff wird in der Pflanze verbaut und der Sauerstoff wird ausgeschieden. Somit kann die Landwirtschaft das Klima beeinflussen, entweder durch Humusabbau die CO2 Freisetzung und somit den Klimawandel beschleunigen, oder aber durch die Bindung von CO2 in Form von Humus den Klimawandel umkehren.

Dr. Johannes Bauchhenß, wird in Fachkreisen auch der „Regenwurmpabst“ genannt. Ich war schon bei einigen seiner Vorträge und kann jedem nur empfehlen, der die Möglichkeit hat, sich auch einmal einen Vortrag von ihm anzuhören. Siehe auch „Vorbilder“ und „Literaturempfehlungen“.